Verfrühte und verspätete Pubertät

Verfrühte Pubertät (zu frühe Pubertät, Pubertas praecox): Verfrühtes Einsetzen der Pubertät. Als Grenze gilt bei Mädchen das Auftreten der Pubertätszeichen vor dem 9., bei Jungen vor dem 10. Geburtstag.

Verspätete Pubertät (zu späte Pubertät, Pubertas tarda): Fehlen jeglicher Pubertätszeichen bei Mädchen nach dem 14., bei Jungen nach dem 16. Geburtstag.

Wann zum Arzt

Bei Gelegenheit, wenn

  • Sie Zweifel haben, ob die Pubertät bei Ihrem Kind altersgerecht verläuft.
  • die Pubertätsentwicklung mehr als 18 Monate lang „stillsteht“ oder die Periode nicht innerhalb von 5 Jahren nach der Brustentwicklung einsetzt.
  • bei Mädchen die Regelblutung mit dem 16. Geburtstag noch nicht oder schon vor dem 11. Geburtstag eingetreten ist.

Die Erkrankung

Pubertätszeichen

Normalerweise setzt die Pubertät bei Mädchen ungefähr mit zehn Jahren und bei Jungen etwa zwei Jahre später ein. Brust bzw. Penis und Hoden wachsen und die Schambehaarung beginnt zu sprießen. Etwa mit 13 Jahren (im Durchschnitt etwa 2,5 Jahre nach Beginn der Brustentwicklung) bekommen Mädchen ihre erste Regelblutung (Menarche). Ein Jahr zuvor haben sie ihren größten Wachstumsschub, der dann mit der Menstruation rasch abklingt. Bei Einsetzen der Menstruation hat ein Mädchen etwa 95 % seiner Endgröße erreicht (Pubertätsentwicklung bei Mädchen). Die ersten nächtlichen Samenergüsse treten bei Jungen meist zwischen dem 14. und 15. Geburtstag ein. In dieser Zeit beginnt der Wachstumsschub des Jungen, die Schwankungsbreite ist allerdings enorm. Sie hat zum einen etwas mit den familiären Anlagen des Kindes zu tun („spät zündende“ Kinder haben oft „spät entwickelte“ Eltern), zum anderen spielt das Körpergewicht eine wichtige Rolle: Übergewichtige Mädchen beginnen ihre Pubertät früher als normalgewichtige. Bei übergewichtigen Jungen ist es dagegen umgekehrt. Dies liegt daran, dass das Fettgewebe auch kleine Mengen von Östrogenen bildet, die bei Mädchen die Pubertät unterstützen, bei Jungen aber hemmen.

Einzelne vorzeitige Pubertätszeichen

Manchmal zeigen sich auch schon vor der Pubertät einzelne Veränderungen an Geschlechtsorganen, die immer dem Kinderarzt vorgestellt werden sollten. In den meisten Fällen sind diese aber nicht krankhaft:

  • Bei Mädchen wird nicht selten eine Brustentwicklung im Kleinkindalter beobachtet (prämature Thelarche). Die betroffenen Kinder sind wahrscheinlich gegenüber Östrogenen, die auch schon bei kleinen Mädchen gebildet werden, empfindlicher. Wenn allerdings gleichzeitig die Wachstumsgeschwindigkeit ansteigt, Schambehaarung oder gar eine Regelblutung auftritt, können krankhafte Hormonstörungen dahinter stehen.
  • Wenn bei Mädchen die Schambehaarung schon zwischen fünf und acht Jahren beginnt (oder bei Jungen zwischen sieben und neun Jahren), muss das nicht krankhaft sein (vorzeitige Schamhaarentwicklung, prämature Pubarche). Aber auch hier gilt: zieht gleichzeitig das Wachstum an oder sind andere Pubertätszeichen zu beobachten (etwa die Entwicklung von Brüsten bei Mädchen oder eine Vergrößerung der Hoden bei Jungen) ist eine hormonelle Störung möglich.

Verfrühte Pubertät

Von einer zu frühen Pubertät wird dann gesprochen, wenn ein Mädchen schon vor dem neunten Lebensjahr Brüste entwickelt oder sich die Hoden bei einem Jungen schon vor dem zehnten Lebensjahr vergrößern (dabei bilden sich dann in der Regel auch die ersten Schamhaare). Mädchen sind viermal häufiger von dieser verfrühten Pubertät betroffen als Jungen.

Bei der so genannten echten verfrühten Pubertät (Pubertas praecox vera) geben die Steuerhormone des Gehirns den Startschuss für die Pubertätsentwicklung zu früh, meist ohne dass eine Ursache hierfür feststellbar wäre. Die verschiedenen Pubertätsstadien setzen dabei in ihrer normalen Reihenfolge ein.

Ähnliches gilt für die familiär bedingten Formen der verfrühten Pubertät (konstitutionelle Frühentwicklung). Bei diesen Kindern waren auch die Eltern Frühentwickler; eine Ursache ist nicht feststellbar.

Hingegen werden bei der verfrühten Scheinpubertät (Pseudopubertas praecox) Geschlechtshormone in dafür eigentlich gar nicht vorgesehenen Organen gebildet: Etwa beim adrenogenitalen Syndrom (einer angeborenen Störung der Kortisonbildung der Nebenniere) oder bei manchen Tumoren. Typisch ist für diese Formen, dass die Hoden (bzw. – nicht von außen sichtbar – die Eierstöcke) klein bleiben.

Verspätete Pubertät

Von einer verspäteten Pubertät sind Jungen häufiger betroffen als Mädchen. Bei diesen Kindern bleibt bis zum 14. bzw. 16. Lebensjahr Brustentwicklung oder Hodenwachstum aus. Die häufigste Ursache ist die familiär bedingte, (konstitutionelle Entwicklungsverzögerung). Diese „Spätzünder“ sind – wie meist ihre Eltern eine Generation vorher – in ihrer körperlichen Reifung hinterher, was sich im Röntgenbild auch an den Knochen nachweisen lässt (vermindertes Knochenalter).

Andere Ursachen für eine verspätete Pubertät sind selten: So können alle chronischen Organerkrankungen nicht nur Untergewicht und Kleinwuchs bedingen, sondern auch die Pubertät hinauszögern. Auch manche genetisch bedingten Störungen mit Veränderungen an den Geschlechtschromosomen können zu einem Ausbleiben bzw. einer Verzögerung der Pubertät führen. Am häufigsten ist hier das Ullrich-Turner-Syndrom, das bei einem von 2.500 Mädchen vorliegt, sowie das Klinefelter-Syndrom, das bei etwa einem von 1.000 Jungen vorkommt. Auch eine Schilddrüsenunterfunktion oder eine Schädigung bzw. Fehlanlage der Hoden oder Eierstöcke können zur verspäteten oder ausbleibenden Pubertät führen.

Eine Sonderform der verspäteten Pubertät ist die ausbleibende Blutung beim ansonsten normal pubertierenden Mädchen (primäre Amenorrhoe). Ursachen können Fehlbildungen des Uterus oder der Scheide sowie ein Verschluss der Scheide durch ein zusammengewachsenes Jungfernhäutchen (Hymenalatresie) sein. Im letzteren Fall kommt es durch während der Periode aufgestautem Blut zu zyklischen Bauchschmerzen.

Wie sich die verspätete Pubertät auf die Kinder auswirkt, hängt von der zugrunde liegenden Ursache ab. Kinder mit konstitutioneller Entwicklungsverzögerung wachsen zunächst langsamer als ihre Altersgenossen (was einen gewissen Leidensdruck bedingen kann), ihre Endgröße ist aber normal.

Das macht der Arzt

Eine körperliche Untersuchung, die Bestimmung des Knochenalters durch Röntgen der linken Hand, Hormonuntersuchungen des Blutes und bei Mädchen eine gynäkologische Untersuchung (mit Ultraschall der Gebärmutter) zählen zum Basisprogramm, das je nach Verdacht ergänzt wird.

Eine zu frühe Pubertät kann durch spezielle Antihormone gebremst werden, die entweder gespritzt oder als Nasenspray gegeben werden. Umgekehrt kann bei zu später Pubertät die Entwicklung der Geschlechtsmerkmale durch Gabe von Steuerhormonen wie GnRH oder Geschlechtshormonen eingeleitet werden. Dass die hormonelle Beeinflussung der Pubertät auch wegen der Auswirkungen auf die Endgröße gut überlegt sein sollte, versteht sich von selbst.